Erntedank GW

Hatten Sie eine gute Ernte?

Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen;
denn an solchen Opfern hat Gott Gefallen.
(Hebr 13,16)


Liebe Gemeinde,
am 6. Oktober feiern wir Erntedank. Mal ehrlich – finden Sie dieses Fest nicht auch manchmal ein wenig antiquiert, ein wenig veraltet?


Wir, die wir in keiner bäuerlichen Umgebung mehr leben, sondern in der Stadt, wir haben ja nicht nur gelegentlich, sondern eigentlich immer, das ganze Jahr über „gute Ernte“: Früchte und Gemüse, selbst die exotischsten Sorten, gibt es durchgängig im Supermarkt zu kaufen. Und wenn es irgendwo auf der Welt – vielleicht sogar in unseren Breiten – einmal schlechte Ernten gibt, dann wird eben im Geschäft alles ein wenig teurer. Unsere eigene Existenz steht dabei nicht auf dem Spiel. Und überhaupt: Säen und ernten, ist das nicht eher eine Sache der Bauern?

Und dennoch: Der Sinn von Erntedank geht am Ende tiefer und er betrifft uns alle, ob wir nun Bauern sind oder nicht. Es geht dabei darum, Gott „Danke“ zu sagen für alles, was wir uns nicht selbst geben können. Danke zu sagen, für alles, was wir nicht selbst „machen“ können, für alles, was nur allmählich „wächst“ und dabei von der Güte und Gnade Gottes abhängig ist. Und das sind eben nicht nur die tatsächlichen Früchte und das Gemüse, das auf dem Feld oder an Bäumen und Sträuchern wächst. Es sind auch die „Früchte“ in einem übertragenen Sinne: „Frucht“ –, das ist die Kraft, die Lebenskraft, die Freude und Energie, die Gott uns immer wieder neu schenkt. Es sind Beziehungen, die im Laufe unseres Lebens zur Reife gekommen sind. Es sind schöne Dinge und Sachen, die sich – ohne, dass wir darüber verfügen konnten – erfüllt haben: „Blumen“, die mitten in unserem Leben zu blühen begonnen haben, einfach so.

Immer dann, wenn Dinge in unserem Leben zur Reife kommen und gelingen, dann „ernten“ wir, dann empfangen wir Gottes Gaben, und dann haben wir allen Grund „Danke“ zu sagen.

Vielleicht ist es für uns, die wir nicht wirklich hungern müssen, tatsächlich wieder an der Zeit, Gott zu danken für Essen und Trinken, für unsere Kleidung, für alles Lebensnotwendige, das im eigentlichen Sinne der „Erde“ entstammt und dabei von günstigen klimatischen Bedingungen abhängig ist. Aber die Äpfel, die Tomaten, das Brot und die Trauben, die im Erntedank-Gottesdienst den Altar schmücken, sind immer auch Symbole und Zeichen für die anderen, eher unsichtbaren Gaben Gottes: Gesundheit, gute Freunde, die Nähe anderer Menschen, ihre uns aufmunternden Worte –, hier ist immer auch Gott mit im Spiel. Seine Kraft und sein inspirierender Geist bringt uns immer wieder in Gang und Fahrt, damit auch wir selbst gute Ernte bringen können.

Pfarrer Frank Schlegel