Unbrauchbar?

Liebe Gemeinde,

sie kann den Kopf nur zusammen mit dem ganzen Körper bewegen. Das Stahlkorsett, das sie von der Hüfte bis zum Kinn an ihrem Körper trägt, erlaubt nichts anderes.

Lea hat eine schlimme Wirbelsäulenverletzung. Mit dem Korsett wollen die Ärzte eine Operation vermeiden.

Durch Ihr herzliches Lachen ist sie mir aufgefallen, als sie mit Ihrem Bruder vor einem Spiel die Kapelle Auf Schalke besucht hat.

„Das muss doch für ein Mädchen in diesem Alter schlimm sein,“ dachte ich.

Lea ist sechzehn.

Als ich sie darauf ansprach, sagte sie: „Na ja, anfangs habe ich gedacht, ich bin ein Krüppel. Ich konnte mich selbst nicht mehr leiden. Anderen bin ich damit auf die Nerven gegangen. Aber dann habe ich eine Geschichte gehört, die hat mich richtig aufgebaut. Und jetzt weiß ich, ich kann trotzdem noch viel machen und wenn ich mich so nehme wie ich bin, mögen mich die Leute echt gern.“

Und dann erzählt Lea ihre Geschichte: ein Zimmermann und sein Lehrling gehen miteinander über das Land. Auf einer Anhöhe steht ein großer, knorriger Baum. Der Zimmermann fragt seinen Lehrling: „Weißt du, weshalb dieser Baum so groß, so alt und so wunderschön ist?“

Der Lehrling schüttelt den Kopf. „Weil er lange Zeit nutzlos war,“ erklärt der Zimmermann. Wäre er gerade und brauchbar gewesen, hätte man ihn gefällt und zu Tischen verarbeitet. Aber so konnte er groß und schön werden, dass man sich nun in seinen Schatten setzen und sich erholen kann.“

Gerade das Unbrauchbare hat Gott erwählt.

Das, was schwach ist, krank, angeknackst.

Denn Jesus sagt: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken….so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen!“

(Matthäus 11,25).

In der Passionszeit denken wir an das Leiden Jesu Christi, das bis zum Tod am Kreuz reichte. Er hat sich ein für alle Mal auf die Seite der Schwachen und Leidenden gestellt.

Auf die Seite derer, die sich unbrauchbar vorkommen!

Ein starker Glaube!

Lea hat das verstanden und darauf vertraut.

Und darüber war sie froh geworden.

Noch heute höre ich ihr herzliches Lachen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Passionszeit

Ihr Pfarrer Ernst – Martin Barth