Gott spricht: Ich will den Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. (Offenbarung 21,6)


In der Jahreslosung aus dem Buch der Offenbarung heißt es: „Ich will den Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ Gott sagt das zu dem Seher Johannes. Und er sagt es auch zu mir.

Der Ort, an dem ich mit Gottes lebendigem Wasser in Berührung kommen bin, ist das Taufbecken. Sicher: Ich habe dort keine Quelle, wie ich sie aus den Bergen kenne, ABER das Zeichen des fließenden Wassers. Ich habe keinen Brunnen, wie in der Wüste, ABER ein Becken, das weit mehr aufnehmen kann, als alle Brunnen dieser Welt. Natürlich: Ich brauche den besonderen Blick. Ich brauche Augen, die mehr sehen als das Vordergründige, die nach dem, was oben ist, ausgerichtet sind, auf die himmlische Welt. Dann sehe ich, was dort im Taufbecken versunken ist: das Ende meiner Möglichkeiten, das Schwinden meiner Kraft, die eigene Endlichkeit, das Ende aller Bewegung, das eigene Unvermögen, mein Misstrauen.
All das ist dort versunken, in diesem Becken, in diesem Wasser, bei meiner Taufe, als Gott auch zu mir sagte: „Ich bin für dich da. Noch bevor du das Licht der Welt erblickt hast, habe ich mein Herz an dich verloren. Diese Liebeserklärung wiederhole ich jetzt – ganz offiziell: Ich bin für dich da! Was dich im Leben belastet, was dich bindet und schwächt, ich nehme es immer von dir, ich wasche es ab. Denn du bist mein Kind: unbedingt gewollt, bedingungslos geliebt. Du gehörst zu mir. Ich bin für dich da.“

Meine Taufe war vor 31 Jahren. An diesen Januartag erinnere ich mich nicht mehr. Dennoch erinnere ich mich jeden Tag an das folgenreiche Ereignis in der Taufe. Das ist mir wichtig. Das muss ich auch, um im Leben nicht zu verdursten. Das Wasser aus der Quelle des menschlichen Lebens ist nicht immer süß, manchmal ist es auch sauer, bitter und ungenießbar. Erinnere ich mich aber an meine Taufe, gewinne neue Lebensenergie, die wirklich Kraft gibt.

Es gibt viele Möglichkeiten, sich an die Taufe zu erinnern. Ich zum Beispiel bekreuzige mich – nicht nur wenn ich selbst in der Kirchenbank sitze. Zum Anfang des Gottesdienstes, nach dem Abendmahl und beim Segen mache ich das Kreuzzeichen. Einigen von Ihnen ist das aufgefallen. Wir haben uns darüber unterhalten: Ist das nicht katholisch? Dürfen wir das? Wir sind doch evangelische Christen. Ich bekreuzige mich seit meiner Kindheit. Es ist fester Bestandteil meiner Glaubenspraxis und passiert ganz automatisch – wie meine Atmung.
Das Kreuz an sich ist ja weder katholisch noch evangelisch. Das Kreuz ist der Grund unseres christlichen Glaubens. Martin Luther hat den Menschen das Kreuzzeichen für das Morgen- und Abendgebet empfohlen (vgl. dazu Evangelisches Gesangbuch, Nr. 863 + 894). Ein paar Seiten vorher lesen wir Folgendes: „Sich bei den Worten: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit dem Kreuz zu bezeichnen, ist ein Brauch, den auch evangelische Christen nicht scheuen müssen.“ (Evangelisches Gesangbuch, S. 1392).
Ich versteh das Kreuzzeichen als Tauferinnerung. Schließlich wird bei der Taufe die Stirn des Täuflings mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichnet. Der Pfarrer spricht dabei: „Ich segne dich mit dem Zeichen des Kreuzes. Du gehörst Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen.“ Das Kreuzzeichen ist für mich ein Gebet, das ich mit meinen Händen an mir vollziehe:
Ich gehöre mit Körper und Seele dem dreieinigen Gott:dem Vater, der unendlichen Liebe;dem Sohn, der mir seine Liebe umsonst schenkt;und dem Heiligen Geist, der Kraft, die mich lieben lässt.

Liebe Leserinnen und Leser, in der Jahreslosung heißt es: „Ich will den Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ Gott sagt das zu dem Seher Johannes. Und er sagt es auch zu Ihnen in diesem Jahr. Zwölf Monate lang werden wir an Gottes Heilsame Zusage in der Taufe erinnert. Und genauso wie sich der Seher Johannes mit dieser Botschaft gestärkt auf den Weg gemacht hat, können auch wir in das neue Jahr starten.

Ein gesegnetes und frohes neues Jahr wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Mario Huhn