Händereichen

Du bist meine Zuversicht, Herr, mein Gott,

meine Hoffnung von meiner Jugend an.

Verwirf mich nicht in meinem Alter,

verlass mich nicht, wenn ich schwach werde.

(Psalm 71,5+7)



Liebe Gemeinde,


wie alt mag der Beter, die Beterin des 71. Psalms wohl sein? In Gedanken steht mir eine Person mittleren Alters vor Augen. Ich denke an jemanden, der oder die mit Abstand auf die Jugendzeit zurückschaut und sich bewusst ist, was seit je Kraftquelle für das eigene Leben ist: Das Vertrauen in Gott.


Dieses Gottvertrauen, das ihn oder sie seit jungen Jahren erfüllt, hat der Beter, die Beterin sich bewahren können. „Gott sei Dank!“ so sagt er oder sie sich. Denn wenn man die vergangenen Lebensjahre Revue passieren lässt, gibt es immer unterschiedliche Lebenserfahrungen: Erinnerungen an glückliche Zeiten und auch an Probleme, Belastungen und Konflikte. Darin Gottes Bewahrung, Trost und Stärkung erfahren zu dürfen, ist ein Geschenk.


Lebt man aus tiefen Gottvertrauen, kann man all‘ das Schwere (das Leichte natürlich auch) vor Gott bringen – und selbstverständlich auch Ängste im Blick auf das Älterwerden. Genau das tut der Beter, die Beterin des Psalms, und Gott ist dafür genau der richtige Adressat.


Bei Jesaja lesen wir Gottes Versprechen: „Bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet.“ (Jes 46,4) Oder wie Jochen Klepper in Anlehnung an diese Verse dichtet: „Ja, ich will euch tragen, wie ich immer trug.“


Gott verspricht uns, uns in unseren unterschiedlichen Lebensaltern zu tragen. Wenn wir uns dessen gewiss sind, kann uns das Zuversicht und Hoffnung schenken, von Jugend an bis ins Alter.


So wünsche ich mir, dass Kinder dieses Vertrauen in Gott entwickeln können und es sich bei ihnen immer weiter vertieft, dass sie als Erwachsene mit den Worten des 71. Psalms sagen können: „Du bist meine Zuversicht, Herr, mein Gott, meine Hoffnung von meiner Jugend an.“


Dafür wäre es gut, wenn uns in unseren unterschiedlichen Lebensaltern die frohe Botschaft erreicht. Doch das ist nicht einfach.


Am 1. September war Pfarrerin Rhoda Chamshama aus unserem Partnerkirchenkreis Morogoro in Tansania in unserer Gemeinde zu Gast und hat gepredigt. Sie berichtete, von einem tiefen Generationenkonflikt in ihrer Gemeinde: Die ältere Generation blicke mit Unverständnis auf die jüngere und umgekehrt.


Rhoda Chamshama schildert, dass in Morogoro junge Menschen den Eindruck hätten, nicht wirklich zur Kirche zu gehören und die älteren Menschen als „Besitzer“ der Kirche wahrnehmen. Aus Enttäuschung, dass sie mit ihren Problemen und Fragen in der Kirche viel zu wenig vorkämen, würden viele junge Menschen die Kirche verlassen.


Dieser Entwicklung tritt die Pfarrerin mit leidenschaftlichem Engagement entgegen und mit einem eindringlichen Appell: Wenn jüngere Menschen von Gottes Wort erreicht werden sollen, dann tragen die älteren dafür Verantwortung.


Die Älteren müssen die Aufgabe übernehmen, den christlichen Glauben und die christlichen Werte an die nächste und zukünftige Generationen weiterzugeben. Und dies muss mit Liebe geschehen. (…) Junge Menschen müssen die Botschaft hören, dass sie geliebt werden und dass sie in der Kirche sehr wichtig sind (…). Wenn ihnen in der Kirche Raum gegeben wird, können junge Menschen sehr verantwortungsbewusst sein, und kraftvoll in ihrem Glauben und auf ihrem Weg mit Christus.“


Mich beeindruckt, wie klar Rhoda Chamshama den innerkirchlichen Generationenkonflikt anspricht, der uns nicht fremd ist, und wie sie als leidenschaftliche Anwältin der jüngeren Generationen die ältere Generation in die Pflicht nimmt und zu einer liebevollen Haltung gegenüber der Jugend aufruft.


Wenn es um die Gestaltung von gemeindlichem Leben geht, ist wichtig, dass Menschen allen Alters spüren können: Hier kann ich mich zu Hause fühlen! Zukunftsentscheidungen an diese Zielsetzung zu koppeln, erscheint mir verheißungsvoll.


Rhoda Chamshama schließt ihre Predigt bei uns mit diesen Worten: „Liebe Brüder und Schwestern, Gott ruft uns ALLE in einen generationenübergreifenden Segen. Er sieht etwas Kostbares in Jung und Alt. Und Er möchte, dass alle Generationen dort sind, dass sie sich gegenseitig ermutigen, einander zuhören und sich gegenseitig helfen, an seinem Reich zu bauen.“


Ich bin Rhoda Chamshama sehr dankbar für ihre Worte an unsere Gemeinde. Mögen sie uns bei anstehenden Entscheidungen wegweisend sein.



Es grüßt Sie herzlich Ihre Elga Zachau