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Über den traditionellen Ablauf des Abendmahls hat sich in der Evangelischen Kirche eine Hygiene-Diskussion entwickelt.

Hierzu erschien am 02.09.2013 der folgende Artikel in der WAZ:




Weil nicht mehr alle aus einem Becher trinken wollen, bieten die ersten Gemeinden Einzelkelche zum Abendmahl an. Gerade in der Erkältungszeit wird diese Praxis geschätzt.

In der Evangelischen Kirche wird über einen zentralen Bestandteil der Glaubenspraxis diskutiert: das Abendmahl. Seit einiger Zeit schon beginnen Gemeinden, den Ablauf zu überarbeiten. Es werden immer häufiger Alternativen zum Gemeinschaftskelch angeboten, aus dem die Gemeinde trinkt. Stattdessen taucht entweder jeder Teilnehmer eine Oblate in Wein oder Traubensaft oder es werden kleine Einzelkelche verteilt. Denn: Das ist hygienischer, als wenn mehrere Menschen aus dem selben Gefäß trinken.

„Von Seiten der Evangelischen Kirche gibt es keine Empfehlung. Es ist den Gemeinden überlassen, welche Form des Abendmahls sie praktizieren“, sagt Andreas Duderstedt, Sprecher der Evangelischen Kirche von Westfalen. Allerdings gebe es für die Gemeinden kleine Hilfestellungen dazu, wie man den hygienischen Anforderungen in jedem Fall gerecht wird: „Dazu gehört, dass ein Gemeinschaftskelch jedes Mal ein Stückchen gedreht wird, wenn er weitergereicht wird. Oder dass mehrere Gemeinschaftskelche eingesetzt werden. Während der eine rumgereicht wird, wird der andere vom Küster gereinigt.“
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Auch „Intinctio“ ist beliebt: Dabei wird die Oblate eingetaucht

In der Paulus-Gemeinde in Castrop-Rauxel werden seit einiger Zeit parallel zwei Varianten angeboten: Einmal die klassische, bei der aus einem Kelch getrunken wird, und als Alternative „Intinctio“, dabei wird nicht getrunken, sondern nur die Oblate in den Kelch getaucht und dann zum Mund geführt. „Ich erkenne einen leichten Trend dahin, dass immer mehr Gemeindeglieder Intinctio bevorzugen“, sagt Pfarrer Hans-Jürgen Knipp. Die Variante mit kleinen Einzelkelchen kommt für ihn nicht in Frage: „Dann würde das symbolische Zeichen, beim Abendmahl aus einem Kelch zu trinken, verloren gehen.“

Die hygienischen Aspekte des Abendmahls werden seit Jahren diskutiert. Besonders zu Zeiten, in denen bestimmte Viren oder Krankheiten die Runde machen: Bei der Schweinegrippe im Jahr 2009 oder bei Ehec im Jahr 2011 war das beispielsweise der Fall. Erstmals kam die Abendmahl-Debatte in den Achtzigern auf, als die Aids-Angst besonders groß war und die Bevölkerung über die noch neue Krankheit nicht viel wusste. Heute weiß man, dass diese Angst unbegründet war. „Eine HIV-Infektion auf diesem Weg ist so gut wie ausgeschlossen. Was Aids betrifft, ist es also ungefährlich aus dem selben Gefäß zu trinken“, sagt Hygiene-Experte Dr. Ernst Tabori.
In Wesel entscheidet sich jeder zweite Abendmahl-Teilnehmer für den Einzelbecher

Viele Kirchen bieten heute zwei Formen des Abendmahls an, die Teilnehmer können sich für eine Variante entscheiden. Die Evangelische Gemeinde Wesel gehört zu der wachsenden Zahl von Gemeinden, die auch Einzelkelche austeilen. Martina Biebersdorf, Pfarrerin am dortigen Willibrordi-Dom, sagt: „Sicherlich hatten die Einzelkelche anfangs etwas mit der Aids-Hysterie zu tun. Doch inzwischen hat diese Alternative bei uns nicht nur hygienische Gründe.“ In Wesel teilen sie die Einzelkelche mit Traubensaft aus, aus dem Gemeinschaftskelch wird Wein getrunken. „Wir möchten so erreichen, dass jeder am Abendmahl teilnehmen kann, auch Menschen, die keinen Alkohol trinken möchten oder dürfen und Kinder.“ Biebersdorf stellt fest, dass die Einzelkelche immer beliebter werden, „gerade in der Erkältungszeit“. Aber auch sonst entscheide sich ungefähr jeder Zweite dafür. Wichtiger als das Symbol des gemeinsam genutzten Kelchs ist aus ihrer Sicht die Gemeinschaft, „dass alle zusammen am Altar stehen“.
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Auch im Internet wird das Thema Abendmahl diskutiert. Auf der Seite unserekirche.de schreibt jemand: „Die Pinneken werden bei uns abgelehnt, weil sie an eine Kneipe erinnern und eventuell jemandem ein ,Prost’ entfahren könnte.“ Ein anderer stellt fest, dass es auf die Form der kleinen Einzelkelche ankommt. Mini-Tonbecher halte er für passend. Eine Art Likörglas, Kristall mit Stiel, erinnere ihn dagegen zu sehr an „Omas Aufgesetzten“.
Firma für Kirchenbedarf bietet schon vier verschiedene Einzelkelch-Modell an

In Wesel werden Einzelkelche aus Edelstahl verteilt, die so aussehen wie der Gemeinschaftskelch, nur in klein. Die Lüdenscheider Firma Assmann hat sich jedenfalls schon auf die Entwicklungen der Abendmahltradition eingestellt. Sie bietet evangelischen Kirchenbedarf und hat inzwischen auch vier verschiedene Einzelkelch-Modelle in ihr Programm aufgenommen.

Kirsten Simon