Erntedank 5   
Freude ist die einfachste Form
                  
       der Dankbarkeit.

                             Karl Barth, Theologe






Das Erntedankfest ist ein Fest, an dem wir Danke sagen „für das tägliche Brot“. Am Sonntag feiern wir Erntedank wie in vielen anderen Kirchen auch, geschmückt und gefüllt mit Früchten. Da werden Körbe mit Äpfeln und Birnen, Kartoffeln und Maiskolben, ja Bananen und Kiwis am Altar abgelegt, auch wenn viele den Zyklus zwischen Werden und Vergehen, Reifen und Wachsen kaum mehr wahrnehmen. Die Erde trägt Frucht. Sie ernährt uns, gibt uns das, was wir zum Leben brauchen.

Das Erntedankfest ist ein Fest, an dem wir Gott, dem Schöpfer allen Lebens, danken. Der Dank an Gott für die Früchte der Natur ist verbunden mit dem Dank an die Menschen, die für die Herstellung von Lebensmitteln verantwortlich sind. Gott und Mensch im Miteinander: Gottes schöpferisches Tun im Einklang mit dem handwerklichen Tun des Menschen.

Das Erntedankfest ein Fest, über den Dank an die Früchte der Natur hinaus nachzudenken. Es geht um das Danke sagen für alles, was die Schöpfung bereitstellt. Es geht um das Danke sagen für alle Ernten des Lebens. Welche Ernten haben Sie eingefahren? Von welchen Ernten leben Sie? Wie viele Ernten des Lebens können Sie nennen? Ernten wie Familie, Gesundheit und Arbeit. Ernten wie Zuwendung, Anteilnahme und Liebe. Ernten wie Bildung, Wohlstand und Ansehen, um nur einige zu nennen.

Gleich bei der Aufzählung wird deutlich: es gibt viele, viel zu viele, die von solchen Ernten weit entfernt leben müssen. Menschen, die unter Dürre, Armut, Krieg und Gewalt leben, erleben eine andere Ernte, eine zerstörerische, unmenschliche Ernte: die Ernte des Hasses und des Leides.

Das Erntedankfest rückt das Menschheitsproblem in den Focus: es gibt zu viele Menschen, die keinen Anteil haben an den Früchten der Erde. Es ist eine von Menschen gemachte und gewollte Ungerechtigkeit. Erntedank heißt: Wir können dieses Fest erst mit Freude feiern, wenn es eine gerechte Verteilung der Gaben der Schöpfung gibt. Dann könnten wir dankbar sein. Dann wäre die Freude riesengroß. Wir können dieses Fest erst mit Freude feiern, wenn wir auf die Worte des Propheten Jesaja mit Freude blicken und uns dankbar zeigen gegenüber unserem Nächsten:
„Brich dem Hungrigen dein Brot! Und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten. Und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit Gottes wird dir folgen. Wenn du den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Und Gott wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.“

Ihr
Pfarrer Frank Füting